„Kleine Fluchten“
Mallorca war schon im Januar voll mit Rentnern und Rennradfahrern. Wie schon oft um diese Jahreszeit, war ich mit meinen beiden jüngeren Kindern auf Mallorca, um die jährliche Radsaison mit meinem Renn-Liegerad bei idealem Radwetter einzuläuten. Viele namhafte Radsportteams tummelten sich auf Mallorca und kreiselten in langen Schleifen über die Insel. Im Laufe der Woche, wo ich mit meinen Kindern hier war, sahen wir viele bekannte Teams, häufig im geschlossenen Verband, oder aber auch einzelne Fahrer, die ihre Trainingsvorgaben abstrampelten.
„Kleine Fluchten ist eigentlich ein Schweizer Film von Yves Yersin, über den Ausreisversuch des alten Knecht Pipe, der sich von seiner Altersrente ein Mofa kauft und sein Leben noch einmal total umkrempelt!
Ein Foto in meinem Arbeitszimmer erinnert mich an diesen Film und eine lustige Begebenheit. Ich fand das Foto vor einigen Jahren auf der Homepage der damals bekannten Mannschaft „Team RadioShack”!
Mit Lance Armstrong besaß das damalige „Team RadioShack“ ein hohes Ansehen und erschien für einen Toursieg prädestiniert. Viele Geschichten rankten sich um die Fahrer und natürlich um seinen Begründer Lance.
Saisonstart mit meinem Renn-Liegerad auf Mallorca
Mein jüngster Sohn und ich kamen aus den Bergen und wollten noch eine kleine Schleife über Santanyí und dann zurück nach Palma drehen. Während mein Sohn mit einem geliehenen Rennrad unterwegs war, hatte ich wie schon so oft mein „Renn-Liegerad” von Deutschland mitgebracht. So ein Teil konnte man hier nicht leihen. Es war ein selbst zusammengebauter, tiefgelegter Flitzer. Mit einer Sitzhöhe von nur 25 cm lag es tief auf dem Boden und war pfeilschnell. Ich genoss es, mit minimalem Luftwiderstand über die Straße zu gleiten.
Jonas mein Sohn und ich ließen es ausrollen und wir näherten uns der großen Hauptstraße.
Kein Auto war zu sehen –
Kein Auto war zu sehen und wir wollten zügig nach links einbiegen, als wir in einigen Meter Entfernung ein heranrollendes Radsportteam wahrnahmen. Jonas wurde langsamer, um dem Schauspiel der vorbeirollenden Profigruppe den nötigen Respekt zu zollen. Ich dagegen wollte nicht wahrhaben, dass die „Hochkant“-Rennradfahrer auch nur ansatzweise eine gleiche Geschwindigkeit fahren könnten wie ich als Liegeradler. Während Jonas respektvoll anhielt, trat ich kräftig in die Pedale und raste unter Einsatz aller Muskelkraft einem Kreisverkehr entgegen. Nach einem schnellen Antritt schaltete ich den nächst höherer Gang und trat erneut kräftig in die Pedalen.
Keine Sekunde ließ ich die Verfolger aus dem Seitenspiegel entweichen.
Ich spürte, wie sie sich das Fahrerfeld näherte. Ich hörte Gesprächsfetzen und Zurufe, die sich für mich danach anhörten, als wenn man den Kampf aufnehmen wollte. Nochmals steigerte ich meine Pedalumdrehungen und flog förmlich dem Kreisverkehr entgegen. In ihrem Schlepptau führten sie ein Begleitfahrzeug mit, dass jetzt auch noch Anstalten machte, die Radgruppe zu überholen.
Wollten diese mich womöglich ausbremsen?
Beruhigt stellte ich im Rückspiegel von meinem Renn-Liegerad fest, dass sich der Abstand nicht mehr verkleinerte. Die Gruppe raste zwar mit einer großen Geschwindigkeit hinter mir her, aber sie konnten oder wollten in diesem geschlossenen Pulk wohl nicht an mich aufschließen.
Ich flog in den Kreisverkehr hinein und verließ ihn in der zweiten Ausfahrt rasend schnell in Richtung Santanyí. Ängstlich beobachtete ich den Rückspiegel, ob die Rennradgruppe mir folgte. Erleichtert stellte ich fest, dass die Gruppe schon die erste Abfahrt in Richtung Palma nahm. Ich rollte erleichtert und tief schnaufend aus.
Mein Renn-Liegerad ist das schnellste… 😉
Mein Sohn kam schmunzelnd hinter mir her. Er kannte mich offensichtlich zu genau. Ich war stolz, dem Rennradteam die Schnelligkeit von meinem Renn-Liegerad vor Augen geführt zu haben und schwärmte beim Abendessen vor meinen Kindern, dass meine Sprintfähigkeit nach wie vor ungebrochen war und ein Renn-Liegerad wirklich das „schnellste Fahrrad der Welt” sei:-)
Abends zeigt mir mein Sohn auf der Homepage vom Team „RadioShack“ das folgende Foto:
Sie hatten mich offensichtlich wahrgenommen und diesen Exoten (nur) im Bild festhalten wollen 😉