„Kauf dir doch mal ein vernünftiges Rad!”
Seit Jahren radelte ich in den ersten Monaten eines Jahres regelmäßig auf Mallorca, um mich auf die Radsaison vorzubereiten. Es herrschen dort ideale Rahmenbedingungen, um schon früh im Jahr aus dem regnerischen und kalten Deutschland auszubrechen und dem Radfahren zu frönen. Ich war begeisterter Liegeradfahrer und verpackte mein Renn-Liegerad aufwendig, um es im Flieger mitzunehmen. Vor einigen Jahren war der Tarif für Sportgeräte/bzw. Fahrräder noch sehr günstig und die Mitnahme lohnte sich noch.
Es gab eine Rivalität zwischen „Liege” und „Hochkantrad”
Jeden Morgen gegen 10:00 Uhr verabschiedete ich mich von meiner Familie und fuhr alleine meine zuvor ausgesuchten Strecken ab. Ich absolvierte Strecken zwischen 60 und 120 Kilometern und genoss das schon um diese Jahreszeit herrliche Radfahrwetter. Als Liegeradfahrer nahm ich, nicht nur hier auf Mallorca, eine Sonderstellung ein. Darum war es auch nicht angebracht, sich den von der „Playa” regelmäßig startenden Rennradgruppen anzuschließen. Liegeradfahrer haben häufig ein etwas anderes Tempo und geben eben keinen, von Rennradlern so sehr gewünschten Windschatten. Das war wohl auch der Hauptgrund für die gefühlte Rivalität zwischen „Liege” und „Hochkantrad”. Heute führte mich meine Tour in einem großen Bogen von S´Arenal ……….. Sineu, Petra, Felanitx und dann wieder zurück nach S´Arenal.
Petra hatte ich hinter mir gelassen.
Petra hatte ich hinter mir gelassen. Ich pedalierte schon seit einiger Zeit auf der Ma 5110 in Richtung Felanitx. Die Straße zog sich schnurgerade in vielen kleinen Wellen hin. Ich kurbelte auf meinem Tieflieger gleichmäßig und ambitioniert die leichte Anhöhe hinauf. Ich hatte schon einige Kilometer hinter mir und nach einer Pause in Petra noch nicht wirklich Ambitionen, um mich schon wieder zu quälen. In Petra hatte ich einen leckeren Cappuccino auf einem Platz mit Innenhof ähnlichem Charakter genossen.
Plötzlich sah ich einen Rennradfahrer im Rückspiegel von meinem Renn-Liegerad!
Plötzlich sah ich im Rückspiegel meines Renn-Liegerades einen Rennradfahrer, der ungewohnt schnell zu mir aufschloss und an mir vorbei radelte. Schon am Trikot konnte ich den Fahrer seinem Team zuordnen. Im vorbeifahren raunzte mir der Radsportprofi eines bekannten deutschen Radsportteams verächtlich die Bemerkung zu: „Kauf dir doch mal ein vernünftiges Rad!”
Was für eine bodenlose Frechheit, bewertete ich diesen Zuruf.
Ich „kochte“!
Unverschämt! Ich war mindestens 20 Jahre älter, leidenschaftlicher Liegeradfahrer und gönnte mir einmal im Jahr einen Radsporturlaub auf dieser nicht nur für Profis bestimmten Insel. Seit vielen Jahren fahre ich hier auf meinem Rennlieger Strecken, die ich inzwischen kannte wie meinen Arbeitsweg. Jahr für Jahr gönnte ich mir diesen Radurlaub. Es war mit erheblichen Umständen verbunden, den Sicherheitscheck am Flughafen mit einem Rennliegerad über sich ergehen zu lassen. Auf der Straße aber war ich es gewohnt, sehnsüchtige oder bewundernde Blicke zu ernten, wenn ich auf dem Liegerad die ersten Runden in der Nähe des Hotels drehte. Zu ungewöhnlich war mein Rad, selbst auf einer von Radsportfreaks besetzten Urlaubsinsel. Und dann überholt mich so ein „Typ” auf seinem „Teamrad“ und sagt, „Kauf dir doch ein vernünftiges Rad!!” Ich kochte!
Der Radprofi war inzwischen schon ca. 100 Meter voraus und erreichte bald die Hügelkuppe, während ich immer noch stampfend bergauf radeln musste.
Meine Revanche!?
Allerdings rechnete ich mir ab der Bergkuppe deutlich mehr Geschwindigkeitsvorteile aus, als direkt am Anstieg. Und siehe da. Als auch ich die Bergkuppe erreicht hatte, reduzierte sich sofort der Abstand von uns beiden Radsportlern. Auf der Ebene und bergab haben Liegeradfahrer deutlich mehr Geschwindigkeitspotentiale als bergauf. Und so trat ich mit einer erheblichen Wut im Bauch kraftvoll in die Pedalen von meinem pfeilschnellen Renn-Liegerad. Es dauerte auch nicht mehr lange und der Rennradfahrer befand sich nur noch 20 Meter vor mir. Ich überlegte mir einen flotten Spruch, dem ich ihm zuwerfen konnte. Offensichtlich hatte er noch gar nicht bemerkt, dass sich, trotz seiner hohen Grundgeschwindigkeit, ein Liegerad zu ihm aufgeschlossen hatte.
Dieses Überraschungsmoment nutzte ich, als ich ihn mit hohem Tempo überholte und ihm dabei zurief: „… aber ich bezahle auch meine Fahrräder immer selbst!!”
Ich gab nun noch einmal mehr Gas und konnte im Rückspiegel einen irritiert dreinschauenden Radprofi anhalten sehen. Er drehte auf der Stelle und fuhr zu einem auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Gasthaus um sich eine Auszeit zu genehmigen.
Voller Stolz und mit einem Siegesgefühl pedalierte ich zufrieden der Küste entgegen. Ich genoss die bewundernden Blicke der anderen Rennradfahrer.
Die Welt war für mich (und mein Renn-Liegerad) wieder in Ordnung!
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